Kampagne: Sichere Häfen
In unserer Reihe „Wohnen für alle“ stellen wir euch regelmäßig Initiativen, Modelle und Ideen aus Brandenburg und ganz Deutschland vor, die sich für bessere Wohn- und Lebensbedingungen von geflüchteten Menschen einsetzen. Dieses Mal geht es um die Kampagne „Sichere Häfen“, ein Beispiel dafür, wie Kommunen Verantwortung übernehmen können, wenn staatliche Strukturen an ihre Grenzen stoßen.
Die Kampagne stammt aus dem Jahr 2018 und wurde von der Bewegung Seebrücke in einer Zeit ins Leben gerufen, in der die Blockade der Seenotrettung und eine zunehmend restriktive politische Rhetorik die öffentliche Debatte bestimmten. Damals gewann die Initiative schnell an Sichtbarkeit und Kraft. Heute ist sie zwar nicht mehr so präsent wie in ihren Anfangsjahren, doch ihre Wirkung und die damals entstandenen Netzwerke wirken bis heute fort.
Seit 2018 erklärten sich Städte und Gemeinden in ganz Deutschland und darüber hinaus zu „Sicheren Häfen“. Insgesamt haben sich mehr als 300 Kommunen angeschlossen und ihre Bereitschaft signalisiert, weitere Schutzsuchende aufzunehmen. Zusätzlich zu den Menschen, die ihnen ohnehin über den üblichen Verteilungsschlüssel zugewiesen werden. Aktuell gibt es bundesweit 321 „Sichere Häfen“, davon zwölf in Brandenburg.
Was steckt hinter der Kampagne „Sichere Häfen“
„Sichere Häfen“ wollen geflüchtete Menschen aktiv willkommen heißen und Verantwortung übernehmen, besonders dort, wo politische Institutionen versagen. Neben der Bereitschaft zur Aufnahme senden sie ein politisches Signal: Sie protestieren gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung und fordern sichere und legale Fluchtwege für Schutzsuchende. Ausgangspunkt des Engagements ist das sogenannte Asylparadox: Menschen können Asyl nur dort beantragen, wo sie sich bereits im Staatsgebiet eines Nationalstaats befinden. Es gibt jedoch kaum sichere oder legale Wege, dieses zu erreichen.
Was macht eine Stadt zum „Sicheren Hafen“?
Die Seebrücke fordert von Kommunen mehr als symbolische Gesten. Sie sollen nicht nur Haltung zeigen, sondern konkrete Schritte unternehmen, um die Aufnahme und Integration geflüchteter Menschen zu verbessern. Dafür wurden klare Kriterien festgelegt, anhand derer die Seebrücke regelmäßig prüft, welche Städte diese erfüllen.
Zu den Kriterien gehören:
Eine öffentliche Solidaritätserklärung mit geflüchteten Menschen, der Seenotrettung und den Zielen der Seebrücke.
Einsatz für sichere Fluchtwege und Unterstützung der Seenotrettung durch Öffentlichkeitsarbeit, finanzielle Förderung oder praktische Mitwirkung.
Bereitschaft zur Aufnahme über die gesetzliche Quote hinaus, einschließlich der Unterstützung legaler Aufnahmeprogramme.
Sicherstellung des Ankommens und Bleibens vor Ort durch Maßnahmen zu Teilhabe, Versorgung und Schutz vor Abschiebung.
Vernetzung mit anderen Städten und auf europäischer Ebene, etwa im Bündnis „Städte Sicherer Häfen“.
Transparenz durch eine öffentliche Dokumentation aller Maßnahmen.
Diese sechs Kernkriterien entsprechen acht konkreten Forderungen. Bis heute hat keine Stadt alle vollständig erfüllt.
Wie wirksam sind die „Sicheren Häfen“?
In der Praxis stießen die „Sicheren Häfen“ schnell an rechtliche Grenzen: Die Entscheidung über die Aufnahme geflüchteter Menschen liegt beim Bund und nicht bei den Kommunen. Viele Städte können ihre Bereitschaft daher nicht in vollem Umfang umsetzen.
Trotzdem entfaltete die Kampagne vor allem in den Anfangsjahren große Wirkung. Sie ermutigte lokale Akteure, öffentlich Stellung zu beziehen und das Fehlen sicherer Fluchtwege zu kritisieren. Dadurch wurde sichtbar, dass viele Kommunen bereit waren, Verantwortung zu übernehmen, auch wenn ihnen der politische Handlungsspielraum fehlte. Auch wenn die Initiative heute weniger im Fokus steht, bleibt die zentrale Erkenntnis bestehen: Es gibt in Deutschland und Europa viele Kommunen und viele Menschen, die solidarisch handeln wollen.
Die Kampagne zeigte sich nicht nur in Deutschland: Zahlreiche europäische Städte, etwa Palermo, Neapel und Barcelona, erklärten sich ebenfalls zu solidarischen Orten für geflüchtete Menschen und schlossen sich zu Bündnissen zusammen.